Bindung für Bildung heißt das Motto hier!
Aber was ist denn jetzt Bindung eigentlich?
Ein Kind ist von seinen Eltern oder Bezugspersonen physisch und psychisch völlig abhängig. Es lernt alle, wirklich alle Verhaltensweisen von ihnen. Und das noch dazu völlig organisch, also durch Abschauen.
Du kannst also gerne davon reden wie wichtig Ordnung ist, wenn´s in deinem Badezimmer aussieht als wäre dort eine Bombe explodiert, wird dein Kind in seinem Zimmer auch keine Ordnung halten. (Ausnahmen bestätigen die Regel, klar.)
Jetzt überleg dir mal welche Verhaltensweise du den ganzen Tag so zeigst.
Bist du morgens übellaunig, oder nachmittags müde und gönnst dir deshalb einen Kaffee, gehst du regelmäßig zum Sport, wofür gibst du dein Geld aus, schnauzt du deinen Partner an, nimmst du dir Zeit für dich, wie kommunizierst du mit anderen, bist du insgeheim gerne der Chef im Haus oder wälzt du Aufgaben lieber ab?
Das kannst du mit allem machen, von der Morgenroutine, über die Arbeitshaltung, bis zur Schlafhygiene.
Hm. Recht blöd jetzt, oder?!
Du hast in erster Linie eine Bindung zu dir selbst, im besten Falle zumindest. Wenn nicht, dann wird´s Zeit, denn immerhin bist du ein ganzes Leben lang mit dir selbst zusammen.
Und jetzt hast du hier ein Kind, vielleicht ein Volksschulkind und das macht jeden Morgen ein Theater, wenn ihr das Haus verlassen müsst, oder es stellt sich endlos mühsam an, wenn es um die Hausaufgaben geht, vielleicht kracht es jeden Abend beim Zubettgehen? Was ist da los? Woran liegt es?
Es liegt an deinem eigenen Bindungstyp.
Du darfst dich jedenfalls damit beschäftigen, also mit dir selbst, höchst persönlich auseinandersetzen, allerspätestens jetzt, wenn du ein Kind hast!
Hat man sich selbst erstmal wiedergefunden und verstanden warum man so handelt wie man es tut, kann man damit beginnen sich zu beobachten. Du wirst rasch feststellen, dass das keinen Spaß macht. Jedenfalls war das bei mir so. Ist nicht so fein, wenn man bemerkt, dass man in manchen Situationen wie die Axt im Walde reagiert, und das auch noch völlig unnötig.
Aber in jedem Fall ist es das wert!
Nur durch Selbstbeobachtung, Selbsteinschätzung und dem Willen sich einer entsprechenden Veränderung zu unterziehen, kannst du dein Verhalten verändern und dadurch das deines Kindes beeinflussen.
Schimpfen, schreien, leere Drohungen, oder noch schlimmer Strafen, Liebesentzug oder Manipulation führen nie zum gewünschten Ziel. Klar haben sie einen Effekt, aber den hatten sie ja auch bei dir, weshalb du jetzt damit beschäftigt bist, was denn bitte schiefläuft und wie es sich ändern lässt.
Die Bindungstypen entwickeln sich innerhalb der ersten zwei Lebensjahre. Verständlich, wenn man bedenkt, dass ein Säugling seiner Bezugsperson völlig ausgeliefert ist. Alle Erfahrungen die er hier macht, bilden sich dann im Bindungstyp ab.
Mary Ainsworth hat vier Bindungstypen beschrieben, diese beschränken sich allerdings auf den westlichen Kulturkreis. Das ist durch andersgeartete Gesellschaftsnormen und Konventionen begründet.
- Sichere Bindung
- Unsicher-vermeidende Bindung
- Ängstliche Bindung
- Ängstlich-vermeidende Bindung (heiß-kalt)
Ganz gleich zu welchem du gehörst, irgendein Defizit gibt es immer. Du kannst auch der sichere Bindungstyp sein, es wird nie perfekt gelaufen sein in deiner Kindheit, weil Eltern einfach nicht perfekt sind. Das ist auch nicht das Ziel. Nur die ganz groben Schnitzer auf die wir schon selbst draufkommen können, die sollten sich vermeiden lassen.
Die Bindungstypen sind auch nicht ganz klar abgegrenzt, es kann immer zu Überlappungen kommen.
Aber welcher du auch bist, du kannst dich selbst erkennen und an deinen Handlungs- und Denkmustern arbeiten. Nichts ist in Stein gemeißelt. So lange du über einen Puls verfügst, kannst du dich entwickeln. Das hört nicht auf, weil man seine maximale Körpergröße erreicht hat. Der Mensch hat sich auf dem Planeten so flächendeckend verteilt, weil er so anpassungsfähig ist.
Eines meiner liebsten Muster ist wie wir denken, als Eltern sein zu müssen. Was ist das perfekte Familienleben, was muss ich meinem Kind bieten, damit es restlos glücklich ist. Dazu sei gesagt, es sind nicht die materiellen Dinge. Die neueste Spielkonsole oder ein teurer Urlaub macht kein Kind glücklich, wenn es keinen sicheren Hafen bei seinen Eltern hat. Es ist eine Ersatzleistung für etwas essenzielles. Verlässliche Bindungen zu anderen Menschen sind überlebenswichtig. Und das ist keinesfalls übertrieben. Man denke an den grausamen Versuch unter Friedrich II. von Hohenstaufen.
Er wollte herausfinden, welche Sprache wohl die wahre Sprache wäre. Die neugeborenen Waisenkinder wurden zwar mit Nahrung versorgt und ihnen wurde Körperpflege zuteil, aber den Ammen wurde untersagt mit den Kindern zu sprechen, sie zu herzen oder irgendwie sonst zu liebkosen. Alle Kinder starben. Sie starben an emotionaler Vernachlässigung. Ein Leben ohne emotionale Bindung ist für ein Neugeborenes also unmöglich.
Nun zeigt sich eindrücklich wie wichtig Bindung für den Menschen ist.
Isolation ist eine Foltermethode, eine schreckliche Strafe. Personen in Einzelhaft entwickeln schreckliche Symptome. Indigene Völker verstoßen ein Gruppenmitglied, wenn sie den Clan durch sein Verhalten gefährdet hat.
Trennt man sein Kind von der Familie (stille Treppe), weil es sich gerade nicht konform benimmt, stellt das eine Isolation dar. Da kann es noch so tolle Technik in seinem Zimmer haben, wenn es dafür abgelehnt wird, dass es seine Bedürfnisse äußert, ist das ein Bindungsabbruch.
Das bedeutet nicht, dass du jedes Verhalten deines Kindes tolerieren sollst. Es bedeutet aber, dass du es mit diesem Verhalten nicht alleine lassen sollst. Du und dein Kind gehen gemeinsam aus der Situation, du hilfst ihm sich zu beruhigen, zeigst danach auf, wie es besser geht und bleibst in Verbindung.
Und auch hier hat Perfektion nichts verloren. Manchmal wirst du dafür keine Kapazitäten haben und das hält dein Kind aus. Aber es sollte nicht der Regelfall sein.
Mir hat es materiell als Kind sicherlich an nichts gefehlt, aber eine meine Lieblingserinnerungen ist, wie mein Vater abends nach seinem langen Arbeitstag mir beim Einschlafen den Rücken gestreichelt hat.
Unsere Eltern waren nie perfekt und auch wir sind es nicht. Aber wir können unseren Kindern reihenweise sichere Momente schenken an die sie sich erinnern können. In denen sie sich völlig verbunden mit uns fühlen, wahrgenommen, gesehen und gehört. Es sind die Momente in denen wir mal nichts sagen, sondern „nur“ für sie da sind. Ob das ein Sturz vom Baum ist, oder wenn sie sich lautstark über einen Freund aufregen, sie sich zum ersten Mal verlieben oder sie gerne selbst ihr Butterbrot streichen wollen.
Bindung entsteht in der geduldigen Stille, beim Beobachten, Abwarten, im Zutrauen und Zuhören. Sie ist ein Band das schon vor der Geburt geknüpft wird und danach zu einem festen Strang gewoben werden kann, um ihnen diesen mitzugeben in ihr Erwachsenenalter. Dort werden sie abermals feste Bindungen zu Partnern, Freunden und ihren eigenen Kindern knüpfen.
Griaß eich die Madln, servas die Buam!